Kameratest: Ricoh GR Digital II
Der Elektrogerätehersteller Ricoh wurde Ende letzten Jahres auf mein Blog aufmerksam und fragte mich ob ich nicht mal ein paar Wochen lang eine Kamera testen möchte, um nachher darüber berichten zu können. Jetzt habe ich endlich mal die Muße (und den nötigen Internetanschluß) dafür gefunden um darüber zu schreiben.
Geschickt wurde mir die _GR Digital II_, eine handliche Knipse aus der professionellen Baureihe. Mit dabei an Zubehör war ein Objektivadapter um ein mitgeliefertes Weitwinkelobjektiv mitsamt Streulichtblende benutzen zu können. Zudem ein zusätzlicher Sucher mit Blitzschuhhalterung. Was fehlte war eine Speicherkarte, da hatte ich jedoch selbst zum Glück noch eine SD-Karte.
Das Magnesium-Gehäuse der Kamera selber liegt gut in der Hand, die knapp 170 g sind angenehm zu halten - für ruhige Aufnahmen jedoch schon zu leicht. Mit dem rechten Zeigefinger ist ein Scrollrad zu erreichen, das bei der Menünavigation behilflich ist. Der Daumen kommt an einen Linksrechtsschalter (zum Bestätigen reindrücken) um sich vier einstellbare Funktionen (wie z.B. Weißabgleich, ISO etc.) schnell erreichbar abzulegen. Beim Rädchen für die verschiedenen Fotografie-Modi kann man zwischen zwei getrennt einstellbaren Konfigurationen schnell hin und her wechseln. Zudem kommt der Daumen auch an eine Wippe um z.B. den Digitalzoom zu betätigen oder in fotografierte Bilder hineinzuzoomen und umgekehrt in eine Thumbnailansicht mehrerer Bilder zu zoomen. Positiv hierbei ist das schön große 2,7" Display. Da ein Sucher fehlt ist man auf dieses jedoch auch bei Sonnenlicht angewiesen. Zum Gehäuse gehörend ist mir noch negativ aufgefallen, daß sich die Gewindebuchse für Stative nicht in der optischen Achse befindet sondern leicht versetzt ist, das sollte jedoch normalerweise bei Aufnahmen kaum auffallen.
Nettes Gimmick ist die eingebaute Wasserwaage, die mithilfe von einer Anzeige und/oder Ton signalisiert ob sich das Bild in der Waage befindet. Zudem haben die Entwickler noch einen Schritt weitergedacht; das entsprechende Exif-Flag für die Rotation im Jpeg wird angepasst und bei der Anzeige von Bildern auf dem Display werden diese immer entsprechend der Kamerahaltung (in 90° Schritten) gedreht.
Das Einschalten geht fix vonstatten, wenn ich da im Gegensatz an Kameras aus der Anfangszeit der Digitalfotografie zurückdenke... Bei schwacher Beleuchtung benutzt der Autofokus ein grünes Hilfslicht. Sehr praktisch beim Fokussieren ist, daß der manuelle Fokus sich fest auf _∞_ einstellen läßt, sinnvoll um Sterne zu fotografieren wenn kein helles, weit entferntes Referenzobjekt vorhanden ist. Leider gibt es keinen Fokusring, stattdessen wird die Einstellung komplett über einen Regler mit Entfernungsangaben im Menü vorgenommen.
Blitz ist vorhanden und von der Reichweite erwartungsgemäß klein, dafür allerdings läßt sich ja ein externer Blitz mittels Blitzschuh nachrüsten. Ein properitärer Akku mitsamt Ladestation liegt bei, an dessen Stelle aber auch drei AAA passen.
Was mir noch positiv aufgefallen war, ist die Belichtungszeit bis zu 3 Minuten, da reicht es bei meiner Finepix "nur" bis 30 Sekunden.
Bilder
Da habe ich mal den Makromodus ausprobiert und recht schräg in ein Mathebuch fotografiert. Daß dabei nur die dritte Zeile des Gleichungssystems scharf ist, ist bei einer 2,4 er Blende durchaus in Ordnung!
Es war nebelig und ich habe fotografiert. Allgemein schwieriges Terrain für Digitalkameras. Weder wissen die dann so recht welchen Weißabgleich sie nehmen sollen, noch finden sie manchmal einen Anhaltspunkt für den Autofokus. Diese allgemeine Landschaftsaufnahme war, vom relativ schwachen Licht abgesehen, einfach zu meistern. Keine Auffälligkeiten. Den leichten Blaustich hätte man noch mittels Bildbearbeitung rausnehmen können.
Lustige Schafe, die ich auf dem Weg zu einer Party fotografierte. Ich weiß nicht so recht ob es hier an der untergehenden Sonne lag, daß der Weißabgleich nicht korrekt arbeitete, aber auch hier ist wieder ein Blaustich zu sehen. Wobei ich dabei mehr das Gefühl habe, daß der Sensor als solches Blau zu sehr mag.
Hier war das Blau durchaus gewollt und erfreut das Auge. Ein Kugelschreiber _Made in Germany_ in der Nahaufnahme.
Ein Bild mit einem schönen Sonnenuntergang. Wobei mir da ehrlich gesagt ein wenig die Detailschärfe in den Ästen der entfernt stehenden Bäumen fehlt.
Hier mal ein 1:1 Ausschnitt aus dem vorherigen Bild um zu verdeutlichen was ich meine. Daraufhin bin ich eben dann mal raus auf dem Balkon (von dort wurde das Motiv gemacht) und habe ein aktuelles Foto mit meiner _Finepix S9500_ aufgenommen. "Berauschend" ist das Licht aktuell auch nicht und trotz geringeren Kontrastes vor dem grauen Himmel ist das Bild Bild detaillreicher, zumal die Finepix 1 Megapixel weniger hat.
Jetzt dann noch mal zwei Vergleichsbilder um den durchaus passablen Weitwinkelvorsatz zu präsentieren, einmal ohne und das zweite Mal mit Weitwinkel:
Sternenhimmel mit 3 min Belichtungszeit. Die Schlieren kommen von der Eigenbewegung der Erde.
Das mit der unterschiedlichen Detailreichheit kann man sich auch an der Sensorgröße verdeutlichen; der Sensor der GR Digital II ist 1/1,74", der von der Finepix 1/1,6" in der Diagonalen. Definiert ist 1" Sensorgröße in der Diagonalen mit 16 mm. Dann hätte der Sensor der Ricoh ca. 40 mm² und der von Fujifilm ca. 48 mm². Ungefähr 20 % weniger Fläche auf die Photonen, sprich Information, eintreffen kann - zudem das Objektiv der Finepix auch noch größer ist und somit mehr Licht reinläßt.
Fazit: Eine nette Kamera der Kompaktklasse mit einer guten Bedienung (Scrollrad, Zoomwippe, Schnellwählschalter), guter Geschwindigkeit, interessanten Funktionen (Wasserwaage, automatische Bilderdrehung), ansehnlichen Bildern und einem ansehnlichen Preis. Die GR Digital ist bei Amazon knapp 150 € teurer als das Nachfolgemodell S9600 meiner S9500. Meiner Meinung nach sollte eine Kompaktkamera eher günstiger sein, zumal sie durch kleinere Sensor- und Objektivgröße keine qualitativ besseren Bilder produzieren kann. Jetzt hat natürlich so ein jeder seine Präferenzen worauf er bei einer Kamera Wert legt, bei mir ist es halt die Qualität der Bilder. Neue, gute Funktionen sind mir nur halbsoviel Wert, wenn sich im Laufe der letzten 2,5 Jahre nicht auch die Qualität der Fotos weiterentwickelt hat. Ein Anderer wird nicht (wie ich) die Lust haben und jedesmal eine Kameratasche schultern wollen um draußen fotografieren zu können, und in die Hosentasche kann ich mir die Finepix nun wirklich nicht stecken.
Auch nicht verstanden habe ich, warum die Ricoh denn keinen optischen Zoom hat. Wenn ich Wechselobjektivaufsätze bereithalten muß, während ich unterwegs bin, geht für mich der Sinn einer Kompaktkamera verloren - oder sehe wohl nur ich das so? Auf jedenfall möchte ich nicht mehr ohne wenigstens eine kleine optische Vergrößerung fotografieren wollen. Zudem weigere ich mich digitalen Zoom als Ersatz zu benutzen, zumindestens solange wir uns im unteren Megapixel-Bereich des Möglichen aufhalten. Ausgerüstet mit einem optischen Zoom und einen entsprechenden Preisverfall, würde mir die Ricoh sehr gut gefallen.